Im Rahmen des diesjährigen Jubiläums 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland hält Dr. Fredy Kahn einen Vortrag im evangelischen Gemeindehaus Gäufelden-Öschelbronn mit musikalischer Umrahmung durch das Duo „Frauengold“.

Fredy Kahn, 2012 – Foto: J. Kuhn

Wirklich aus Baisingen weggekommen ist Fredy Kahn eigentlich nur während des Studiums in München und Mannheim sowie während seiner Facharzt-Ausbildung in Karlsruhe. Es habe schon etwas mit Trotz zu tun, „Stachel zu sein in der Geschichte.“ Zu zeigen, „dass es damals nicht gelungen ist, alle Juden in Deutschland zu vernichten.“ Zu zeigen, „dass doch auch wir eigentlich ganz normale Menschen mit ganz normalen Leben sind.“
Fredy Kahns Eltern – sein Vater, der Baisinger Viehhändler Harry Kahn, und seine Mutter Jeanette, geborene Karschinierow sind beide Holocaust-Überlebende, die im KZ zueinander gefunden hatten, weil sie beide schwäbisch sprachen. Nach dem Krieg trafen sie sich beim Besuch der Stuttgarter Synagoge wieder und heirateten bald darauf. Warum Harry und Jeanette – und mit ihnen letztlich auch Fredy Kahn – blieben, das ist das Ambivalente an dieser Familiengeschichte.
Die Baisinger Juden kamen nach der Vertreibung der Juden aus Wien 1670 nach Baisingen, damals ein Zipfel von Vorderösterreich. Über 200 Jahre konnte sich ihr Gemeinwesen in Baisingen positiv entwickeln. Zeitweise stellten sie ein Drittel der Baisinger Bürgerschaft. Familie Kahn und vor allem Harry Kahn entwickelten eine für Juden ungewöhnliche Heimatverbundenheit.
Nach seiner Befreiung 1945 aus dem KZ (Riga, Buchenwald, Theresienstadt) kehrte Harry Kahn – abgemagert auf 38 Kilo Gewicht – im Anschluss an einen Sanatoriums-Aufenthalt sofort in sein Heimatdorf zurück, wo allerdings sein von den Nazis konfisziertes und zwangsversteigertes Elternhaus längst von anderen bewohnt wurde.
Trotzdem gelang der Neuanfang. Eigentlich wollte die Familie immer auswandern, vielleicht nach Amerika, dem Sehnsuchtsort. Dass die Familie am Ende doch blieb, war vielleicht auch dem unerwartet großen Erfolg geschuldet, den der Viehhandel schnell erlebte.
Aber immer wenn Nachfahren von ehemaligen Baisinger Juden aus Israel oder den USA zu Besuch kamen, brach dieser Zwiespalt und die Erinnerungen bei den Eltern an die schlimme Zeit im KZ wieder durch. Und doch blieben sie.
Fredy Kahn ist von seinen Eltern dazu erzogen worden, nur nicht aufzufallen. Aber als er nach dem Studium nach Baisingen zurückkam, habe er für sich gesagt: „Nur wenn du dein Judentum nicht verleugnest und es als normalen Teil deines Lebens annimmst, wirst du dauerhaft in Deutschland als Deutscher leben können.“
Der Familienname Kahn verweist auf einen der ältesten Namen der jüdischen Tradition. Die Kohanim, Plural von Kohen, gehören zum Stamm der Hohepriester. Sie übten im Jerusalemer Tempel den Dienst am Altar aus. Neben Kahn verweisen Namen wie Cohn, Cohen, Kahane, Kagan oder Kogan auf diese Namensherkunft.

Eine Veranstaltung der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen, Gegen Vergessen – Für Demokratie und der Evangelischen Kirchengemeinde Öschelbronn.

Eintritt frei.

22.10.2021, 19 Uhr
Evangelisches Gemeindehaus Gäufelden-Öschelbronn, Tailfinger Straße
Musikalische Umrahmung: Duo Frauengold (Herrenberg)

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