Auf den Resten der Startbahn des ehemaligen Nachtjägerflugplatzes Hailfingen verläuft ein Skulpturenpfad, der schrittweise erweitert wird und zeigt, wie sich junge, interessierte Menschen gedanklich und künstlerisch mit der Geschichte auseinandersetzen.

DIE LEUTE MÜSSTEN SEHEN, Skulptur von Lisa Weiß, 2015 – Foto: J. Kuhn

„Augen“

Direkt hinter dem Mahnmal können die Arbeiten, die im Rahmen des Kreativworkshops der KZ-Gedenkstätte im Jahr 2015 entstanden sind, betrachtet werden. Als Inspiration hatte der Bildhauer Rudolf Kurz, der den Workshop leitete und zu dessen Werken auch das Mahnmal der Gedenkstätte zählt, das Leitmotiv Auge vorgegeben.
Lisa Weiß zum Beispiel hat auf der einen Seite ihres Steins eine Spitzhacke angedeutet, die die schwere Arbeit im Steinbruch symbolisiert, zu der viele der Häftlinge gezwungen wurden. Auf die andere Seite hat sie das Zitat Die Leute müssten sehen gemeißelt. Es stammt von einem der Häftlinge und bezieht sich auf die Anwohner*innen, an deren Häusern die Kolonnen der Arbeitskommandos täglich vorbeikamen. Doch sie haben die Augen verschlossen und nichts gemacht, so Lisa Weiß.

Skulpturengruppe des Kreativworkshops zum Thema Auge – Foto: J. Kuhn

„Hände“

Zwei Jahre später, 2017, wurde ein weiterer Kreativworkshop organisiert. In diesem Jahr wurden die Teilnehmenden von drei Bildhauern künstlerisch betreut: Uli Gsell, Ralf Ehmann und Rudolf Kurz. An dem in Kooperation mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. organisierten Angebot nahmen 14 Personen aus 7 verschiedenen Nationen teil. Als Themenvorschlag wurde das Thema „Hände“ gegeben, eine Mehrzahl der jungen Leute wollte sich aber die Freiheit nehmen, einen eigenen Schwerpunkt zu wählen und so ihren persönlichen Zugang zu der Vergangenheit des Orts zu finden.

Raquel Viver Rodrigo neben ihrer Skulptur, 2017 – Foto: J. Kuhn

„Meine Arbeit zeigt einen Apfel, den eine Wolfstatze greift“, beginnt die Spanierin Raquel Viver Rodrigo die Präsentation ihres Werks am 11.8.2017. Die Häftlinge wollten Äpfel am Wegesrand aufheben, „aber die Nazis hätten geschossen, wenn sie es bemerkt hätten. Deshalb habe ich den Apfel als Symbol für unerreichbare Träume und Hoffnungen gewählt.“ Der Wolf steht für den bellenden Befehlston und die strenge Bewachung im Lager, die der ehemalige Häftling Sam Baron beschrieb. „Welche Ausdrucksform wäre da passender gewesen, als das Tier über die Hoffnungen und Träume wachen zu lassen?“

Wegzeichen am Reustener Steinbruch – Foto: J. Kuhn

„Weg-Zeichen“

Schüler*innen des Paul-Klee-Gymnasiums Rottenburg haben unter Betreuung von Gregor Schwarz gemeinsam mit dem Bildhauer Ralf Ehmann drei Wegzeichen gestaltet, die im Juli 2019 auf Ammerbucher Gemarkung eingeweiht wurden.
Diese Wegzeichen dienen nicht nur dazu, die Abzweigungen des Gedenkpfads unserer Gedenkstätte leichter zu finden, sondern verleiten auch dazu, eine kleine Pause einzulegen und innezuhalten.
Es handelt sich um kleine Skulpturen auf Stelen, jeweils mit einem Zitat eines ehemaligen KZ-Häftlings versehen. Zur Einweihung war auch Steven Pelcman anreist, um ein Zitat seines Vaters Morris Pelcman vorzustellen.

Nachdem die eindrucksvollen Werke der jungen Leute mit dem Lilly-Zapf-Preis des Landkreises Tübingen und dem Jugendpreis der Stiftung WegZeichen der Diözese Rottenburg-Stuttgart ausgezeichnet wurden, entstanden ein Jahr später drei weitere Weg-Zeichen. Sie wurden 2020 an der gleichen Schule und ebenfalls im Kunstunterricht unter Betreuung von Gregor Schwarz und Ralf Ehmann erarbeitet. Diesmal wurden Portraitköpfe auf mit Zitaten versehenen Stelen positioniert. Die Präsentation fand – coronabedingt – in kleinerem Rahmen statt.

Die beeindruckenden Arbeiten dienen der Erinnerung an den Leidensweg der KZ-Häftlinge.

Portraitkopf Jakob Fligelman, gestaltet von Aya Al Masalme, 2020 – Foto: H. Roth