Die KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen hat sich zur Aufgabe gemacht, den Häftlingen des Außenlagers wieder ein Gesicht zu geben. Jeder Mensch hat einen Namen! Aber nicht nur das. Jeder Mensch hat auch seine eigene Geschichte, individuelle Charaktereigenschaften, Gedanken – eine Persönlichkeit. Und dass das nicht nur für die Menschen in unserem Umfeld gilt, sondern auch für die Millionen, oft anonymen Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, muss man sich und anderen immer wieder bewusst machen.
Die Recherchen von Volker Mall und Harald Roth begannen vor über 15 Jahren. Im Staatsarchiv Ludwigsburg fanden sie in den Akten des Hechinger Prozesses das sogenannte Natzweiler-Nummernbuch 41. Die dort enthaltene Namensliste mit 600 jüdischen Häftlingen stellte die Basis für alle weiteren personenbezogenen Recherchen dar. Ein Häftling fehlt in dem Dokument, demnach waren in Hailfingen insgesamt 601 KZ-Häftlinge. Dem Nummernbuch zufolge kamen die 600 Juden aus 16 Ländern. Die Zuordnung ist allerdings nicht nur wegen der sich ändernden Grenzen vor und während des Zweiten Weltkrieges problematisch, sie berücksichtigt auch nicht die transnationale Verfolgungsgeschichte der Juden in Europa.
540 Häftlinge, also die allermeisten, hatten bereits schlimme Zeiten in Auschwitz durchgemacht und waren traumatisiert – insbesondere durch die Vergasung ihrer nächsten Familienangehörigen. Nach Auschwitz waren sie u. a. über folgende Sammellager gekommen: Chaidari (Griechenland), Fossoli (Italien), Drancy (Frankreich), Mechelen (Belgien) und Westerbork (Niederlande). Sie waren nach den Angaben im Nummernbuch zwischen 15 und 60 Jahre alt. Einige hatten allerdings aus Angst vor ihrer sofortigen Ermordung ein falsches Alter angegeben. So unterschiedlich die Nationalitäten, so verschieden waren die soziale Herkunft und die Biografien: Ein Spanienkämpfer, ein Mitglied des britischen Expeditionskorps, Mitglieder der Résistance, des holländischen Widerstands usw. Einige hatten schon fünf Jahre Ghetto, Arbeits- und Konzentrationslager hinter sich, bevor sie nach Hailfingen kamen, andere waren erst Mitte 1944 nach Auschwitz deportiert worden, so z. B. diejenigen, die mit den Transporten aus Fossoli, aus Ungarn oder mit den letzten Transporten aus Drancy dorthin gekommen waren.
Mit einigen der Überlebenden konnten die Initiatoren der Gedenkstätte Kontakt aufbauen. Zur Einweihung des Dokumentationszentrums und des Mahnmals am 6.6.2010 reisten vier ehemalige Häftlinge an:
Mordechai Ciechanower aus Israel, Simon Gutman aus Frankreich und Israel Arbeiter sowie Sam Baron, beide aus den USA.
Vor allem die Anzahl der Angehörigen, mit denen wir in Verbindung stehen, wächst mit den Erfolgen bei der Recherche stetig. Viele kamen in den letzten Jahren zu Besuch, um diesen Ort des Schreckens, von dem nur noch Spuren zu sehen sind, zu besuchen und mehr zu erfahren. Oft ist eine solche Reise keine leichte Aufgabe; aber sie kann Gewissheit bringen und dadurch Erleichterung bedeuten. Angehörige von hier Verstorbenen konnten die Gräber besuchen und Kaddish sagen.
Bei den Treffen sind wertvolle neue Freundschaften entstanden, sowohl zwischen den Besucher*innen und uns als auch zwischen den Angehörigen untereinander.